You Bet I Dance Soundtrack: So entstand die Filmmusik

Dejan Dukovski am Soundtrack

Dejan Dukovski und Jonas Gewald sind die beiden Filmkomponisten, die den Soundtrack zu „You Bet I Dance!“ (deutscher Titel: „Und ob ich tanze!“) erschaffen haben. In diesem Dokumentarfilm geht es um einen Tanz-Workshop für Kinder mit Cerebralparese. In einem Interview haben mir Dejan und Jonas ein paar Blicke hinter die Kulissen gewährt.

Die beiden kreativen Köpfe aus Köln und Hannover betreiben wellcooked.audio, ein Studio, das sich auf Filmmusik und Werbung spezialisiert hat. Ich habe mit ihnen darüber gesprochen, wie die Musik zum Film entstanden ist. Im Interview ging es aber nicht nur um kreative Prozesse, sondern auch um logistische Planung, Studio-Equipment und vieles mehr. Das erzählten mir Dejan und Jonas…

… wie sich die beiden kennengelernt haben:

Jonas: Das fing so an, dass wir beide in Holland Musik für Medien studiert haben. Dejan hatte das Hauptfach Filmmusik; ich hatte mehr mit Musik für Medien und Musikproduktion zu tun. Letztlich haben wir uns über das Kochen kennengelernt, weil wir beide sehr gerne kochen. Das gemeinsame Musikmachen ist irgendwie nebenbei entstanden.

Dejan: Wir kennen uns jetzt schon fünf bis sechs Jahre und haben die ersten Projekte gemeinsam im Studium gemacht. Die Idee mit wellcooked.audio kam vor zwei bis drei Jahren, als wir beschlossen haben, derartige Projekte gemeinsam professionell zu betreiben.

… über die Aufgabenverteilung untereinander:

Dejan: Man muss sagen, dass ich eher derjenige bin, der schon ganz gerne auf Papier Sketches schreibt und am Klavier Sachen aufbaut. Ansonsten komponieren wir gleich viel, wobei Jonas eher einen elektronischen Hintergrund hat und ich mehr mit klassischen Instrumenten arbeite. Und das versuchen wir dann zu kombinieren, insofern der Film dies zulässt.

… über Einflüsse und inspirierende Künstler:

Jonas: Ich bin ja eigentlich Pianist und stehe total auf Nils Frahm und Ólafur Arnalds – so diese moderne Klassik-Richtung, die ja momentan ziemlich angesagt ist. Aber ich mache auch mit einem anderen Projekt elektronische Tanzmusik, sodass ich in dieser Richtung auch sehr viele Einflüsse habe. Generell mag ich gute Melodien und sehr viele Harmonien. Christian Löffler und Jon Hopkins finde ich super.

Dejan: Bei mir ist es so, dass ich irgendwann total in diese Filmscore-Welt eingetaucht bin. Ich habe mich sehr von älteren Filmkomponisten beeinflussen lassen: James Newton Howard, Thomas Newman oder James Horner.

… über den Score zu „You Bet I Dance!“:

Jonas: Das Coole war, dass wir den Regisseur kannten, weil wir für die Greentech-Awards im letzten Jahr bereits mit Lars Pape und Holger Schürmann zusammengearbeitet haben. Dementsprechend wussten wir schon, wie sie ticken. Und sie wussten wiederum, was wir cool finden.

Dejan: Es fing damit an, dass ein Tanz-Workshop für Kinder mit Cerebralparese in New York gemacht wurde. Das hat Loretta Stern mitbekommen und sie fand das so gut, dass sie sich an „Tanz ist KLASSE! e.V.“ gewendet hat. Und die haben das dann zusammen mit der Staatsoper Berlin organisiert. Der Film kam erst später. Der Regisseur Lars Pape hat von dem Projekt mitbekommen und er fand das ganze Konzept super, sodass er vorgeschlagen hat, das Ganze mit einer Kamera zu begleiten und einen Film daraus zu machen.

… über virtuelle Orchester-Sounds:

Jonas: Wir haben tatsächlich für den Film virtuelle Libraries benutzt, wobei wir die Klavierstücke im Studio aufgenommen haben und noch relativ viele analoge Synthesizer drin haben. Aber an und für sich ist es insgesamt eine virtuelle Produktion gewesen. Die Streicher sind also Plugin-Instrumente.

Dejan: Es ist natürlich auch immer eine Frage des Budgets, ob man es sich leisten kann, echte Streichinstrumente aufzunehmen. Deshalb kann es auch durchaus sein, dass wir an der einen oder anderen Stelle auch für das Klavier ein Plugin benutzt haben, wenn es mal schnell gehen musste. Dafür hat Jonas dann ziemlich lange am Sound rum geschraubt, damit das alles möglichst authentisch klingt.

… wie man virtuelle Instrumente besonders realistisch klingen lässt:

Dejan: Es ist mit sehr viel Liebe eingespielt. (lacht) Wir versuchen, die Stücke möglichst rubato-mäßig einzuspielen. Ich nehme mir dafür auch gern sehr viel Zeit, um die Sachen so echt wie möglich klingen zu lassen.

… über die eigenen Studios:

Jonas: Ich arbeite vor allem mit Ableton. Ich habe zwar in Cubase gelernt, aber bin dann doch relativ schnell von Cubase weg, weil ich gemerkt habe, dass ich in Ableton viel kreativer arbeiten kann. Ich kann schneller Ideen entwickeln und formen. Deshalb ist das Programm für meinen persönlichen Workflow besser. Was die Synthesizer angeht: Wir haben hier im Studio einen Nord Rack stehen sowie den Moog Little Phatty und eine 101. Das sind die Synthesizer, die ich jetzt für den Soundtrack benutzt habe.

Dejan: Ich habe damals mit ProTools angefangen. Das benutze ich fürs Editing ganz gerne. Ich bin dann aber irgendwann zu Studio One gewechselt, weil man dort beispielsweise ganz einfach per Drag’n’Drop Instrumente reinziehen kann.

… über den Workflow:

Jonas: Wir waren sehr früh im Prozess mit dabei – bereits vor den eigentlichen Dreharbeiten. Dementsprechend haben wir schon sehr früh damit angefangen, Motive zu erarbeiten. So haben wir dem Regisseur dann auch die ersten Skizzen geschickt, bevor wir überhaupt die ersten Bilder hatten. Deshalb hat das Kamera-Team die Musik teilweise auch direkt schon unter die Bilder gelegt. Das war für später sehr hilfreich, weil wir gegen Ende doch nicht mehr so viel Zeit hatten. Wir konnten am Ende sehr schnell arbeiten, weil die Themen bereits sehr gut zu den Bildern und den Schnitten gepasst haben.

Ansonsten haben wir uns überlegt, welche Motive wir gestalten möchten und wer was übernimmt – welche Charaktere, welche Motive. So haben Dejan und ich dann parallel gearbeitet und uns hin und wieder ausgetauscht. Ich habe zum Beispiel für das Mädchen Leonie das Thema geschrieben und an irgendeinem Punkt weiter an Dejan gereicht. Er hat dann noch Streicher hinzugefügt. An manchen Stellen haben wir es logischerweise auch genau andersherum gemacht.

Dejan: Es war die klassische Methode der Themen-Bearbeitung, was auch dann sehr gut funktioniert, wenn man über das Internet zusammenarbeitet. Wie gesagt: Man sucht sich verschiedene Themenstränge aus und kann anhand dessen weiterarbeiten.

Ich arbeite sehr viel mit Zettel und Stift. Ich mache mir einen Sketch-Score, der mal größer und mal kleiner sein kann. Oft ist es auch einfach nur eine Piano-Zusammenfassung, wo ich mir Harmonien notiere sowie rhythmische Wechsel. So kann ich dann schnell weiterarbeiten und das Ganze in verschiedenen Stimmungen arrangieren – zum Beispiel für Orchester oder nur Solo-Piano oder was auch immer.

… über das Geheimnis, wie man elektronische Musik und klassische Musik miteinander verbinden kann:

Dejan: Ich glaube, das Geheimnis dahinter sind lange Abende mit Wein und gutem Essen. (lacht) Im Ernst: Jonas und ich machen schon sehr lange Musik zusammen. Wir haben beispielsweise zunächst einmal eine EP veröffentlicht, um zu schauen, ob das so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. So haben wir dann durch mehrere Produktionen einen Weg gefunden, diese beiden Komponenten möglichst gut miteinander verschmelzen zu lassen. Und der letzte Schritt in unserem Prozess ist, dass wir nochmal alles gemeinsam mixen und mastern – und zwar an einem Ort. Ich denke, es macht einen großen Unterschied. Wenn man etwas an verschiedenen Orten in verschiedenen Studios produziert, dann klingt es meistens auch verschieden.

… über Lerneffekte und persönliche Weiterentwicklung:

Dejan: Bei „You Bet I Dance“ war das jetzt nicht so sehr der Fall, weil der Regisseur den Stil von uns wollte, den er kannte. Es gab in der Vergangenheit sehr viele Projekte, bei denen wir vieles ausprobieren konnten – auch neue Musikstile. Das finde ich so klasse: Egal, was für eine Musik Du machst, Du findest immer Nuancen, die Dir total Spaß machen und die Du unbedingt selbst produzieren möchtest. Auch bei Musikstilen, die Du vielleicht gar nicht so sehr magst.

Jonas: Ich würde zumindest sagen, dass „You Bet I Dance“ das erste große Projekt war, das wir an verschiedenen Orten gemacht haben. Dementsprechend haben wir auf jeden Fall gelernt, wie man logistisch in der Hinsicht zusammenarbeiten kann. Wir haben Themen hin und her versendet und dabei trotzdem sehr effizient gearbeitet.

… über das Erwecken von Gefühlen beim Publikum:

Jonas: Generell war uns sehr wichtig, dass wir nicht nochmal mit dem Finger in die Wunde drücken. Wir wollten die Emotionen, die durch die Bilder entstehen, mit der Musik weiterspielen. Allerdings wollten wir sie nicht künstlich ins Extreme ziehen. Aus diesem Grund haben wir auch sehr viel mit Elektronik experimentiert. Das Lied „Showtime“ taucht im Film auf, als die Kinder ihre große Aufführung haben. Sie lernen vorher vier Tage im Workshop eine Tanz-Choreographie. Dieses Lied wollten wir zum Beispiel nicht emotional groß aufwerten, sondern haben uns überlegt, ein Gefühl von Leichtigkeit einzubauen. Es sollte so wirken, als würden die Kinder einfach über den Boden schweben. Hieran sieht man sehr gut, wie wir an dem Film gearbeitet haben.


>>Hier kann man in den Soundtrack reinhören<<

Jonas‘ und Dejans Webseite: https://wellcooked.audio/


Dir hat dieser Artikel gefallen? Du findest mich auch auf Facebook, Twitter, Instagram und YouTube. Wenn Du Dich für exklusive Inhalte interessierst, dann abonniere gerne meinen Newsletter.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert