In diesem Sound Design Tutorial möchte ich Dir zeigen, wie man einen Martinshorn-Sound im Synthesizer nachbilden kann. Ich nutze hierfür (wie in anderen Tutorials auch) Native Instruments Massive aufgrund seiner flexiblen Routing-Möglichkeiten.
Der Martinshorn-Sound, den wir erstellen werden, hört sich so an:
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Er steht ganz unten als Download bereit, ebenso wie das Massive-Preset!
Theorie
Bevor wir ans Eingemachte gehen, möchte ich zunächst mal den Klang vom Martinshorn analysieren, den wir nachbauen werden: Es gibt verschiedene Varianten, wie das Martinshorn-Signal erzeugt werden kann – elektromagnetisch, elektronisch oder durch Luftdruck.
Das Alarmsignal selbst besteht aus zwei Tönen, die alternierend (abwechselnd) wiedergegeben werden. Sie sind in einem Tonintervall von fünf Halbtonschritten voneinander entfernt, was einer reinen Quarte entspricht. Der tiefere der beiden Töne darf nicht unter 360 Hz liegen, der höhere nicht über 630 Hz. Das sagt die Norm.
Wenn wir uns jetzt noch die Anlage der meisten Feuerwehrautos anschauen, stellen wir fest, dass sie insgesamt vier Hörner haben. Davon dienen zwei dem tieferen Ton und die anderen beiden dem höheren Ton. Allerdings unterscheiden sich die beiden kurzen Hörner minimalst in ihrer Tonhöhe, ebenso wie die beiden langen. Sie sind verstimmt, um einen fetteren Sound zu erzeugen.
So viel zur Theorie…
Sound Design Praxis
Also dann, legen wir los! Zuallererst legen wir eine MIDI- beziehungsweise eine Instrumenten-Spur in unserer DAW an. Ich benutze hierfür Cubase*. Wir setzen das Tempo auf 75 BPM und zeichnen abwechselnd Fis und H jeweils in Viertelnoten. Das Fis muss von der Oktave her ein mittleres Fis sein, sodass es bei 370 Hz liegt. Das H liegt dann bei 494 Hz. (Hier findest Du eine Frequenztabelle, um die Frequenzen bestimmter Noten zu ermitteln.)
Für den Anfang reichen vier Takte, die wir dann loopen können, während wir am Synthie schrauben.
Als nächstes geht es an die Synth-Programmierung. Wir benötigen zwei Klangquellen. Hierfür können wir entweder zwei Oscillatoren auswählen oder nur einen auswählen und dann mit der Voicing-Sektion arbeiten, um zwei Stimmen einzustellen. Ich finde die letztere Variante eleganter. Also schalten wir nur den ersten Oscillator an und wählen die Wellenform „Squ-Sw1“. Dann stellen wir die Wavetable-Position ganz nach rechts. Die Klangquelle ist also eine reine Sägezahn-Welle. Der Knopf „Intensity“ wird voll aufgedreht und der Knopf „Amp“ wird auf drei Uhr gestellt. Das Signal wird zu Filter eins geroutet, sodass die Einstellungen nun wie folgt aussehen sollten:
Um das Signal zweistimmig zu machen, gehen wir nun in das Voicing-Register und stellen den Wert bei „Unisono“ auf zwei. Wir stellen den Pitch-Cutoff an und verstimmen die zweite Stimme um 0,50 Semitöne. Das Voicing-Register sieht nun so aus:
Wir stellen das Routing im Filter-Bereich auf parallel und lassen den zweiten Filter aus, weil wir ihn nicht benötigen. Nun schalten wir Filter 1 an und wählen „Lowpass 4“ aus. Wir stellen den Cutoff-Wert auf 12 Uhr und den Resonance-Wert auf 11 Uhr. Danach drehen wir den Filter-Amp voll auf und verwenden im Mixing-Bereich ausschließlich Filter 1.
Als nächstes widmen wir uns der Hüllkurve des Klangs, dem sogenannten Amp Envelope. Dieser ist in Massive standardmäßig auf Env4 festgelegt. Dort stellen wir nun eine mittlere Attack-Zeit ein (Regler auf 10 Uhr). Der Regler für die Decay-Zeit sowie der Regler für das Sustain-Level werden voll aufgedreht. Abschließend benötigen wir noch ein wenig Release (Regler auf 11 Uhr), sodass die finalen Einstellungen des Envelopes wie folgt aussehen:
Feinschliff: Modulation
Nun kommt der spannendste Part dieses Tutorials: Der Klang wird nämlich noch an verschiedenen Stellen moduliert. Zum einen soll die Tonhöhe in der Einschwingphase des Sounds mit einem Pitch-Envelope moduliert werden. Zum anderen soll der Pitch mit einem LFO moduliert werden, der wiederum von einer Hüllkurve gesteuert wird, sodass am Anfang des Klangs wenig Modulation vorhanden ist und am Ende viel. Klingt komplizierter, als es ist.
Das hier ist der Pitch-Envelope, für den ich Env1 verwendet habe:
Das hier ist der LFO, der die Tonhöhe modulieren soll (man beachte, dass Env2 bereits den Amp-Bereich des LFOs steuert):
Und so sehen die Einstellungen von Env2 aus, der wie gesagt die Stärke des LFOs moduliert:
Als nächstes müssen wir im Oscillator-Bereich einstellen, dass Env1 und LFO5 den Pitch modulieren. Dies geschieht auf sehr subtile Art und Weise, weshalb sehr niedrige Werte verwendet werden: -0.50 bei Env1 und 0.30 bei LFO5. Außerdem moduliert LFO5 auch den Amp-Knopf des Oscillators, was jedoch ebenfalls sehr subtil geschieht.
So, und last but not least kommen noch ein paar Effekte ins Spiel, um den Klang dreckiger und definierter zu machen.
Als erstes wird das Feedback wie folgt eingestellt:
Dann wird im oberen Effekt-Bereich von Massive der EQ wie folgt eingestellt, um die mittleren Frequenzen noch ein wenig zu verstärken:
Den Master Output von Massive sollte man so einstellen, dass das Signal nicht übersteuert.
Fertig ist das Martinshorn im Synthesizer! Noch zwei kleine Tipps: Häufig verwendet man bei Vertonungen von Filmen Geräusche, die übertriebener sind als die realen Klänge. Man spricht in dem Zusammenhang davon, dass sie „larger than life“ sind. Wer also seine Sirene etwas übertriebener machen will, der muss nur in der Voicing-Sektion ein bisschen rumspielen und weitere Stimmen hinzufügen.
Abgesehen davon eignet sich das erstellte Preset auch ganz wunderbar, um eine Autohupe zu erzeugen. Dafür muss man lediglich einen einzigen Ton ansteuern, der bei ca 400 – 500 Hz liegt (z.B. ein G).
Ich habe die oben erstellte Tonfolge in Cubase auf 16 Takte ausgeweitet und als Wav-File exportiert. Es steht ganz unten zusammen mit dem Massive-Preset zum Download bereit. Übrigens eignet sich der Sound wunderbar, um einen vorbeifahrenden Krankenwagen zu simulieren.
Konklusion
Vielleicht fragst Du Dich, warum ich so einen Martinshorn-Sound nicht aufnehme, sondern im Synthesizer erzeuge. Ich persönlich bin zwar der Meinung, dass organische Sounds immer ein klein wenig lebendiger und authentischer klingen als ihre synthetischen Pendants. Trotzdem gibt es auch immer wieder Situationen im Produktionsprozess, wo es aus Organisations-, Zeit- oder Budget-Gründen nicht möglich ist, einen realen Sound aufzunehmen. Und genau dann zahlt es sich aus, wenn man einen Sound auch am Synthesizer emulieren kann.
Ach ja, hier ist noch der versprochene Download. Falls Du den Sound in Projekten verwendest, wäre ich dankbar, wenn Du als Quelle meine Webseite oder meinen Namen angibst. Danke! 🙂
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**Titelbild by camilo jimenez on Unsplash
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2 Gedanken zu „Sound Design Tutorial: Erstellen eines Martinshorns in NI Massive“
Du bist ein Magier! 🙂
Das werte ich als Kompliment! :)))