Jeder Soundtrack für Bewegtbild wie Film, Game oder Animation setzt sich aus vier Komponenten zusammen. Hiermit meine ich nicht die Zahl der Kanäle, über die ein Signal wiedergegeben werden kann (Stereo, Surround etc.). In diesem Artikel geht es um die verschiedenen Kategorien an Sounds, aus denen sich der Soundtrack zusammensetzt. Mit diesem Wissen wird es Dir als Filmemacher oder Spielentwickler viel leichter fallen, einen Soundtrack zu analysieren oder in Auftrag zu geben.
1. Musik
Wahrscheinlich ist Filmmusik das Erste, das Du mit einem Soundtrack assoziierst. In der Tat ist Musik eine wichtige Komponente des Klangerlebnisses eines Films – wenn auch nicht die einzige.
Ein Musikstück kann einen Film episch und dramatisch erscheinen lassen oder ihn auf andere Weise emotional aufladen. Ob das funktioniert, hängt einerseits von dem Musikstück an sich ab, aber natürlich auch vom Timing, wie es eingesetzt wird. Selbst die Lautstärke spielt eine ganz entscheidende Rolle.
Ein oft vernachlässigter Aspekt ist die Frage, ob die Musik nur für den Zuschauer hörbar sein soll oder ob sie Teil der Szene ist. Das lateinische Wort für die Welt der Story und all ihrer Charaktere lautet Diegesis. Entsprechend gibt es diegetische und non-diegetische Musik. Ist die Musik ein Teil der Szene, spricht man von diegetischer Musik. Zum Beispiel könnte ein Charakter ein Instrument in der Szene spielen. Genauso wäre ein Szenario denkbar, in dem Musik aus dem Radio ertönt.
Übrigens muss diegetische Musik nicht zwangsläufig am Set aufgenommen werden. Betrachten wir das letzte Beispiel mit dem Radio doch nochmal. Es wäre vorstellbar, dass ein Charakter bei der Aufnahme einer Szene nur so tut, als würde er das Radio anstellen. In diesem Fall müsste die Musik bei der Vertonung synchron zum Bild hinzugefügt werden. Damit es auch so klingt, als käme die Musik aus dem Radio, benutzt der Sound Designer Effekte wie EQ, Hall oder Verzerrung.
Unter non-diegetischer Musik versteht man die Art von Musik, die nur für den Zuschauer hörbar ist, jedoch nicht für die Charaktere in der Szene.
Natürlich sind auch Mischformen zwischen diegetischer und non-diegetischer Musik möglich. Beispielsweise könnte man eine melancholische Gitarrenmusik hören, die perfekt zur Stimmung der Szene passt (non-diegetisch). Erst in der nächsten Einstellung würde man dann erkennen, dass die Musik von einem Straßenmusiker stammt (diegetisch), der vorher nicht im Bild zu sehen war.
Wie Du siehst, hast Du allein schon bei der Musik sehr viele Möglichkeiten der Gestaltung. Doch lass uns auch noch die anderen Komponenten anschauen…
2. Sound-Effekte
Das Zweite, woran Du beim Thema Soundtrack bestimmt gedacht hast, sind Sound-Effekte. Und auch diese teilen sich in unterschiedliche Kategorien auf – ähnlich wie wir es bei Musik gesehen haben.
Zunächst einmal gibt es natürlich die Möglichkeit, Sound-Effekte direkt beim Dreh der Szene aufzunehmen. Entweder sie sind auf der Tonspur der Aufnahme enthalten oder man nimmt sie einzeln in Form sogenannter Nur-Töne auf.
In den meisten Fällen ist es allerdings so, dass die Sound-Effekte in Kombination mit dem Bild nicht ganz die Wirkung entfalten, wie man es gerne hätte. Also muss man nachhelfen. Zum einen eignen sich hierfür Foley-Aufnahmen. Dabei werden von einem Foley-Artist in einem Tonstudio mit Hilfsgegenständen Geräusche synchron zum Bild aufgenommen, die weiter bearbeitet werden können. Zum anderen kann man auch mithilfe synthetischer Klänge eine Szene nachvertonen. Oder man benutzt eine Kombination aus beidem. Wie das konkret aussehen kann, zeige ich in einem anderen Beitrag anhand von Filmen wie Star Wars, Indiana Jones oder Herr der Ringe.
So. Wir hatten bisher Musik und Sound-Effekte. Was fehlt noch? Richtig…
3. Dialog
Ohne die Sprache der Charaktere wären die meisten Filme ganz schön langweilig. Und auch wenn es scheinbar relativ unspektakulär daherkommt, ist die Dialog-Bearbeitung eine Kunst für sich. Nicht umsonst bezeichnet Sound Designer Dawid Lewis Yewdall in seinem Buch* die Dialog-Editoren als Hollywoods unbesungene Helden.
Besondere Herausforderungen können nämlich dann entstehen, wenn die Aufnahme vom Set schlecht oder sogar überhaupt nicht zu gebrauchen ist. Nun muss der Sound-Editor die Aufnahme retten (beispielsweise durch Rauschentfernung) oder im schlimmsten Fall die Sprache nachträglich im Studio aufnehmen. Dafür müssen nochmal die Schauspieler herangezogen werden. Man spricht hierbei vom Dubbing oder ADR (Automatic Dialog Recording). Ein derartiges Szenario ist gar nicht so selten der Fall. Vielleicht flüstern oder schreien die Schauspieler in einer Szene, weil es so im Drehbuch stand. Oder die Szene wird vor einer extrem lauten Kulisse gedreht wie beispielsweise einer Autobahn. Oder es handelt sich um ein Telefongespräch oder um eine Synchronisation einer Imitation.
Aber noch ein weiterer Aspekt fällt in die Kategorie „Dialog“ – nämlich das Voice Over. Stell Dir vor, Du möchtest, dass eine Stimme aus dem Off parallel zum Bild eine Geschichte erzählt. Dann muss dieser Erzähler logischerweise im Tonstudio aufgenommen werden. Dies wäre übrigens ein weiteres Beispiel für ein non-diegetisches Element in einem Film.
Kommen wir zum letzten Punkt:
4. Ambience / Atmo
Dies ist ein von Filmemachern allzu oft unterschätzter Aspekt. Unter den Begriffen Ambience und Atmo versteht man das Hintergrundrauschen, das für jeden Ort individuell ist. Deshalb liefert eine Atmo für den Hörer eine wichtige Information, um die Charakteristik eines Raumes einordnen zu können.
In Tonaufnahmen vom Filmdreh ist in der Regel das Hintergrundrauschen des jeweiligen Raumes oder Ortes automatisch mit drauf. Trotzdem lohnt es sich, am Set nur die Atmo aufzunehmen. Denn so hat der Sound Designer im Studio später mehr, mit dem er arbeiten kann.
Gerade bei der Vertonung von Animationen und Computerspielen ist die Ambience wichtig, da die virtuelle Welt zum Leben erweckt werden muss. Hierfür verwenden Sound Designer entweder Field Recordings oder erzeugen die Ambience im Synthesizer aus weißem Rauschen.
Eine Tonspur ohne Ambience klingt unnatürlich. Trotzdem kann dieser Effekt auch bewusst eingesetzt werden, um eine verstörende Wirkung zu erzeugen. Ein Beispiel dafür wäre mein Sound Design für das Ende dieses Animationsfilmes.
Häufig taucht in diesem Zusammenhang auch die etwas philosophische Frage auf, was denn Stille überhaupt ist. Wenn Du Dich für diese Thematik interessierst, dann kann ich Dir diesen Artikel über Stille empfehlen.
Fazit
Ein Soundtrack setzt sich aus vier Komponenten zusammen: Musik, Sound-Effekten, Dialog und Ambience. Das heißt aber nicht, dass jederzeit alle vier gleichzeitig da sein müssen. Beispielsweise kann eine Atmo auch ausgeblendet werden, wenn die Musik einen sehr lauten Part hat.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist immer die Frage, ob der jeweilige Sound (Musik, Effekt, Sprache) ein Teil der Storyworld ist (diegetisch) oder eben nicht (non-diegetisch).
Wenn man all diese Überlegungen miteinbezieht, kann man aus den vielen Einzelkomponenten ein großes Ganzes formen. Und genau das macht einen guten Soundtrack aus!
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**Titelbild von Noom Peerapong auf Unsplash
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